Die schöpferische Kraft des Weiblichen

Am Wochenende war ich auf dem Jubiläumskongress des deutschen Astrologenverbandes, an dem es unter anderem um neue Wege mit Pluto im Zeichen Wassermann und die transformierende Kraft der archaischen Weiblichkeit in der Astrologie in Form von Lilith ging. 

Spannend war es für mich wahrzunehmen, welchen Unterschied es macht, über ein Thema zu sprechen und ein Thema zu fühlen. Für mich persönlich ist beides nicht zu trennen. Also, wenn ich über etwas spreche, dann begebe ich mich zugleich auch in einen unbewussten Raum des Durchfühlens. Damit meine ich, dass ich, ohne es zu wollen, immer mit meiner Tiefe in Begegnung bin. Aus dieser Tiefe speist sich meine Präsenz in Gesprächen und sie eröffnet mir die Chance, mich ständig weiter zu entwickeln. Anders ausgedrückt, die Worte, die ich höre, fallen auf einen fruchtbaren Boden in mir, da ich zugleich das Fühlen zulasse. Dies führt in Begegnungen immer wieder schnell zu einer Irritation in mir selbst und in meinem Gegenüber. Am Wochenende konnte ich genau das sehr gut und in einer besonderen Intensität wahrnehmen.

Was möchte ich damit sagen? Der Kongress bot viele interessante Vorträge und Workshops, in denen über Tiefe und Transformation gesprochen wurde, doch konnte ich diese oftmals nicht im Raum fühlen. Zugleich gab es unerwartete Momente von Tiefe, in denen Teilnehmer unangenehm berührt waren und vielleicht lieber an der Oberfläche geblieben wären. 

Zum Beispiel erzählte mir eine Frau, wie interessant der letzte Vortrag für sie gewesen sei und dass dieser ein altes Thema in ihr angesprochen habe. In ihrem Sprechen war fühlbar, wie sehr es in die Tiefe wirkt und es eine große Chance für sie wäre, wenn sie sich diesem Raum in sich selbst öffnen könnte. Es war spannend zu beobachten, wie sie sich an die sichere Oberfläche klammerte, um schnell das Gehörte in sich einordnen zu können und damit wieder Halt zu finden. 

An anderer Stelle eröffnete eine Referentin einen tiefen Raum allein durch ihre Präsenz und Begeisterung für ihr Vortragsthema. Leider konnten sich viele Teilnehmende diesem Verstehen in der Tiefe über das Fühlen gar nicht öffnen und verließen vorzeitig den Raum, da für sie zu wenig fachliche Information vermittelt wurde. 

Ticken viele Menschen so? Nach dem Motto: Wasch mich, aber mach mich nicht nass? Das ist sicherlich eine ganz menschliche Regung und ich kenne sie gut von mir selbst. Vor allem, wenn ich im Gespräch etwas wahrnehme, es zunächst zurückhalte, weil ich Angst habe, mich zu zeigen. Spreche ich meine Wahrnehmung dann doch aus, möchte ich zwar gehört werden, scheue aber zugleich die instinktive Reaktion des Gegenübers auf mein Zeigen. Ich sehne mich nach dem echten Austausch, in dem das Zeigen möglich ist und es zugleich kein angestrengtes Gespräch wird. Kennst du das auch?

Für mich ist dieser Aspekt ganz eng mit Pluto im Zeichen Wassermann verknüpft. Der schöpferische Raum, welcher sich immer öffnet, wenn wir in Begegnung die Enge, die durch das Fühlen entstehen kann, zulassen und es damit wagen, Worte erst einmal wirken zu lassen und nicht gleich einordnen und in Schubladen ablegen zu wollen. In dem Moment taucht in uns immer Chaos auf und bisherige Strukturen lösen sich auf. Das Verwirrende besteht darin, dass plötzlich ganz menschliche Regungen in uns auftauchen, wie Neid, Missgunst, Egozentrik, usw…. Solange wir über etwas reden, bleiben wir auf Distanz, wir gucken über den Zaun und beschreiben etwas, bleiben safe. Sobald wir über den Zaun plumpsen fühlen wir, was wir vorher beobachtet haben und verlieren damit scheinbar erst einmal unsere sichere beobachtende Position. Bewusst schreibe ich „scheinbar“, denn auch, wenn wir ins innere Drama von Fühlen purzeln, können wir ja weiterhin beobachten. Allerdings vielleicht im ersten Moment mit einer Prise Scham und Kränkung über unser Sichtbarwerden. 

Hier betritt Lilith die Bühne, denn sie steht für die weibliche Ur-Kraft des Fühlens und dem damit verbundenen Kreislauf von Geburt und Tod. Warum schämen wir uns immer noch für das, was wir fühlen? Warum wollen wir unsere tiefen Empfindungen immer wieder domestizieren? Was lässt uns immer wieder zum Opfer unseres Willens werden? Ich glaube, dass der Ursprung der ist, dass wir uns nach wie vor nach Erlösung von unseren Unzulänglichkeiten sehnen. Das, was uns angreifbar und verletzlich werden lässt, sind unsere Empfindungen. Wenn wir uns damit zeigen, werden wir auf unsere Verletzlichkeit und unsere Angst, nicht dazu zu gehören zurückgeworfen. So folgen wir meist unbewusst dem gängigen Modell von Souveränität durch „über etwas sprechen“. Damit wahren wir unser Gesicht. Sehr beliebt sind an dieser Stelle wissenschaftliche Begründungen und akademische Anerkennungen. 

Wie fühlt es sich für dich an, wenn du deiner weiblichen Seite das Ruder überlässt und diese mal an dein inneres Rednerpult lässt? Wie würde sie sich mitteilen? Was hätte sie zu sagen? Worüber würde sie sich beklagen? Wovon würde sie sich in dem Moment befreien? Würdest du dich kraftvoll hierbei fühlen? 

Also, wenn du zulässt, dass die Stimme in dir laut wird, welche sagt:  

  • Ich kann nicht mehr.
  • Das tut mir weh.
  • Stopp, hier ist meine Grenze.
  • Ich brauche.
  • Ich nehme wahr.

Was wäre, wenn dein Wort und deine Durchsetzung sich daran orientieren, was du gerade wahrnimmst und du dich erst einmal damit zeigst, ohne wissen zu wollen, was das bedeutet? 

Was wäre, wenn du sprichst, was dir aufstößt, was dich berührt in Begegnung, in einer Situation, ohne dich hierbei an eine Rechtfertigung zu klammern? 

Spürst du, wie es deinen verletzlichen Raum aufmacht? Dann bist du angekommen in der Tiefe, in deinem schöpferischen Potenzial. Das ist gemeint mit Transformation. Du musst immer wieder sterben, um zu leben. Der Schmerz gehört zu jeder Geburt, sowie die Angst zum Tod gehört. Beides sind untrügliche Zeichen eines Neubeginns.

Die Erkenntnisse, welche wir mit dem kommenden Wechsel von Pluto in das Zeichen Wassermann gewinnen werden, können entweder lebendig oder aber steril genutzt werden. Mit steril meine ich, wissen aber nicht fühlen. Anders gesagt, am Leben, am Menschsein vorbei. Wenn wir eine nachhaltige und organische Zukunft gestalten wollen, brauchen wir jedoch die schöpferische Kraft des Weiblichen. Die Tiefe, das Empfängliche, die Dunkelheit sind der Nährboden für den Samen, der keimen möchte. 

Eine interessante Definition eines Vortragenden am Wochenende möchte ich an dieser Stelle gerne noch anbringen: „Das Männliche, unser Wille wirkt elektrisierend. Das Weibliche, das Fühlen, wirkt magnetisch“. Davon inspiriert gibt es für mich keine schönere Beschreibung für die kommende transformierende Energie mit Pluto im Zeichen Wassermann: elektrisierend. Wir werden aufgeladen und wachgerüttelt. Doch erst im Fühlen wird ein magnetisches Feld frei und wir sind wirklich bereit, etwas völlig Neues anzuziehen. 

2 Comments on “Die schöpferische Kraft des Weiblichen”

  1. Liebe Anna,
    sehr schöner und berührend klarer Beitrag. Lieben Dank fürs Teilen und Teilhaben. Ich bin gespannt auf Pluto.

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