Jedes Mal, wenn wir uns auf eine Empfindung unseres Körpers einlassen, folgen wir einer Spur und begeben uns auf eine Reise in die innere Seelenlandschaft. Diese innere Welt kann man sich wie die äußere Welt vorstellen: es gibt Kontinente und unterschiedliche Länder mit unterschiedlichen Sprachen. Übertragen auf den inneren Globus finden wir dort eine Vielzahl an Erfahrungsräumen und verschiedenen Wesensanteilen mit eigenen Färbungen und Ausdrucksformen. Die Elemente der Natur spiegeln sich im Inneren in Form von Fähigkeiten wieder: Eigene Werte (Erde), Tatkraft (Feuer), Gedanken (Luft) und Gefühlen (Wasser).
In dieser inneren Welt steckt die Vielfalt und die Lebendigkeit unserer Ausdrucksform. Meist kennen wir nur einen kleinen Teil davon und sehen diesen zudem mit den Augen unserer eigenen Vorstellung. Also wir erkennen in uns etwas und haben postwendend ein Bild, eine Lösung, eine Erkenntnis dazu. So wie wir auch in der äußeren Welt, wenn wir in ein fremdes Land reisen, das Neue und das Andersartige mit den Augen der eigenen Kultur und den dazugehörigen Prägungen betrachten. Wir sind somit nie wirklich frei in unserem Blick auf das Unbekannte.
Wenn wir beginnen, die innere Welt zu bereisen, braucht es nichts weiter als die Neugierde, die Lust am Erkunden und den Wunsch, etwas Neues über uns Selbst erfahren zu wollen.
Der Ausgangspunkt meiner Art des Seelenreisens ist immer wieder: Was nehme ich jetzt, in diesem Moment, an Empfindungen wahr?
Wenn wir uns den gegenwärtigen Empfindungen öffnen, gewinnen wir Zugang zu der Essenz hinter dem, was wir sehen können. Die Schleier der eigenen Vorstellungen lösen sich damit auf und gewähren uns einen freien und offenen Blick auf die innere Landschaft. So dringen wir tiefer ein und gelangen zu einem umfassenden Bewusstsein über uns selbst. Diese Art der Erkenntnis taucht aus dem inneren Wissen auf und ist nicht durch den analytischen Geist geformt.
Der Schlüssel liegt darin, die auftauchenden Empfindungen weder zu bewerten noch einordnen zu wollen, und diesen, so abstrus und unbedeutend sie erscheinen mögen, einen Wert und damit Qualität zu geben. Es geht also nicht darum, verstehen zu wollen, warum eine bestimmte Empfindung da ist, sondern vielmehr darum, die Spannung einzuladen, die auftaucht, wenn wir diese als einen Wegweiser, hin zu einem bisher unbekannten Wesensanteil oder inneren Landstrich sehen. In diesem Moment öffnet sich eine Tür, mit der wir, wenn wir sie durchschreiten, eine völlig neue Erfahrung machen können. Die Führung übernimmt ab da nicht der Verstand, sondern die innere Haltung: Ah, interessant, spannend! und wir folgen der Spur unseres „instinktiven Riechers“.
Im nächsten Schritt überlassen wir die weitere Entwicklung dem Fluss der eigenen Dynamik. Diese wird über das Atmen aktiviert und sobald das Strömen einsetzt, kommt Bewegung in die gegenwärtige Empfindung. Aus dieser Veränderung entsteht ein neuer Impuls, dem wir folgen und lassen uns auf den nächsten Schritt, eine neue Empfindung ein.
Manche Reisen sind kurz, manche dauern länger, das lässt sich nicht vorher sagen. Das Ende einer Reise zeigt sich immer dadurch, dass es ein inneres Ankommen gibt: einen Aha-Moment, eine neue Sicht, oder eine neue Erkenntnis über die eigene Wesensnatur. Dies bedeutet nicht, die Lösung zu haben oder am Ziel angekommen zu sein. Das Ziel ist die Erfahrung, das Ankommen ist die Berührung.
Diese Art des Reisens erfordert ein hohes Maß an Konzentration und Willenstraining, denn es braucht immer wieder neu die Entscheidung für das Jetzt, die Einwilligung in das, was gerade auftaucht, ohne hieraus Schlußfolgern zu wollen, wo die Reise enden wird.
So machen wir wirklich eine Reise, welche uns anders zurückkommen lässt, als wir gestartet sind.