Vom Wagnis der Liebe / Weihnachten 2022

Weihnachten ist für mich immer wieder eine Gelegenheit im Kreis der Familie einfach zu sein. Es ist gerade das Es-gibt-nichts-zu-tun, was mich persönlich in diesen Tagen berührt. Zugleich klappen gerade in diesen Tagen des Sich-nahe-Seins die feinen Regungen aus der Tiefe auf. Gerade im Miteinandersein fällt es uns oft schwer, zu uns selbst und unseren eigenen Bedürfnissen zu stehen, ohne dass dies Streit oder Zerwürfnis bedeuten muss. 

Wir können die Feiertage dazu nutzen, um uns unseren eigenen Werten und den Herausforderungen der Co-Existenz hierbei zu stellen. Also, was bewerte ich als gut oder schlecht in mir? Was bewerte ich als nützlich oder unnütz in meinen Fähigkeiten? Und was wäre, wenn beide Wertungen zugleich dasein können, ebenbürtig wären? 

Damit einher gehen die Fragen:
Ist Bewusstsein besser als Unbewusstsein?
Welche Geschichten muss ich mir erzählen, damit ich die Realität ertragen kann?
Kann ich mich berühren lassen und zugleich meine eigenen Grenzen wahrnehmen, also fühlen, wo es mir zu viel wird und wo ich mit meinen eigenen Themen in Berührung komme? 

Es gilt, dass wir uns darin trainieren, uns gegenseitig zu akzeptieren, so wie wir sind. Akzeptanz bedeutet allerdings nicht, etwas hinzunehmen oder ein Verhalten zu entschuldigen. Vielmehr zeigt sich Akzeptanz darin, dass wir uns der Realität stellen wollen. Was ist in dem Moment echt? Und was löst es in mir aus? Erlaube ich mir eine echte Reaktion? Oder bewerte ich diese sofort und bin somit schon wieder im Konstrukt? Welche Glaubenssätze verbinde ich mit bestimmten Verhalten bei mir und bei anderen? Kann ich zulassen, dass ich in Begegnung immer wieder in meinen Vorstellungen enttäuscht werde? Ohne, dass ich damit hadere, da ich mich vielleicht in so einem Moment klein und mies fühle? 

Was bedeutet Ebenbürtigkeit in deinen Beziehungen? Bist du der- oder diejenige, welche die Begegnung kontrolliert, indem du bewusst beobachtest und alles, was auf deinem Radar auftaucht, sofort einordnest, um dich so vermeintlich „richtig“ zu verhalten? Oder bist du der- oder diejenige, welche in Begegnung versteckt bleibt und sich ständig davor fürchtet, ob die Bombe gleich hochgeht und die Harmonie damit im Eimer ist? 

Welche Auseinandersetzungen müsstest du längst führen? Wo gibt es lange schwelende untergründige Konflikte? Was schmeckt dir längst nicht mehr? Wovor fürchtest du dich? Was wäre das Schlimmste, was passieren könnte?  Welche Glaubenssätze gibt es in dir in Bezug auf Auseinandersetzung? Wie ist aus aktueller Sicht dein Platz in deiner Familie definiert? Welche Glaubenssätze verbindest du damit? 

Richtig, jede Menge Fragen. Nach wie vor tappen wir im Dunkeln. Eine gute Freundin sagte diese Tage in einem Gespräch: „Ich komm mir gerade vor wie in einer Gefühlslotterie.“ Damit meinte sie, dass sich aktuell nicht vorhersehen lässt, welches Gefühl im nächsten Moment völlig unerwartet auftauchen wird. Diese Gefühle sind jedoch keineswegs willkürlich und entspringen keiner Laune. Vielmehr sind sie die Wegweiser, denen es aktuell zu folgen gilt. Wir befinden uns in einem gigantischen Gärprozess. Altes wird verdaut und hierbei treten erst einmal Giftstoffe aus. Diese nehmen wir wahr in Form von plötzlichen Regungen. Wut, Traurigkeit, Schmerz, Neid, Verletzlichkeit, Misstrauen, sind die Emotionen die das Gift nach außen transportieren. 

Du hast die Wahl, wie du diesen Gefühlsausbrüchen oder Regungen begegnest. Entweder du kannst dir selbst dabei zugucken, wie du vielleicht in dem einen Moment urplötzlich hochfährst, nur um dich schon im nächsten wieder aufs Sofa zu verziehen und alte Wunden zu lecken. Oder du kannst mit dir und deinen spontanen und vielleicht auch widersprüchlichen Regungen im Hader sein, sie bewerten und über dich urteilen. Dann allerdings verpasst du die Chance die aktuelle Zeitqualität als inneres Wachstum zu begreifen. Sie erscheint dir dann eher als Einengung oder Fremdbestimmung. 

Im Moment findet immer wieder ein rasanter Wechsel von bewusst zu unbewusst statt. Das heißt, gerade eben hast du etwas in dir erkannt, kannst plötzlich tiefer blicken und erkennst die Struktur, welche hinter deinem aktuellen Fühlen wirkt. Und schon in der nächsten Bewegung fühlst du dich innerlich Land unter, hast keine Orientierung und alles löst sich wieder auf. 

Wenn das Neue, was auf uns wartet, eine ebenbürtige Gesellschaft ist, dann muss die Ebenbürtigkeit zuerst in uns selbst stattfinden. Für mich ist das der Hintergrund  dieser Gefühlslotterie. Damit meine ich, dass es keinen Unterschied mehr macht, nicht besser oder schlechter ist, ob wir gerade orientierungslos im Reagieren sind, oder ob wir klar und bewusst im Leben stehen. Beide Bewegungen haben ihren Platz in unserer Entwicklung und brauchen unsere Wertschätzung und Anerkennung. 

So können wir die Feiertage nutzen, um uns in Begegnung darin zu trainieren, uns selbst zu akzeptieren mit dem, was gerade in uns am Start steht. Vielleicht gelingt es dir, den Hader in dir loszulassen, wenn du gerade mal wieder nicht deinen Erwartungen oder denen deines Umfeldes entsprichst. Und wäre es nicht wunderbar, wenn es keine Bewertung im Sinne von unangenehmen und angenehmen, harmlosen oder gefährlichen Gefühle gibt, sondern lediglich dein Welcome und dein Annehmen dessen, was gerade gesehen werden möchte? 

Was glaubst du, würde sich dadurch in deinen Begegnungen verändern? Wäre das Frieden für dich? Könntest du in all der Unzulänglichkeit und dem Nicht-wissen-wie die Liebe fühlen? Würdest du dich dann gehalten und wertgeschätzt fühlen auf deinem Platz in der Familie? 

Probier es aus und geh das Wagnis ein, sichtbar zu werden, mit dem, was sich gerade in dir zeigt! Damit gibst du dir die Chance, dein ganz persönliches Weihnachtswunder zu erleben. 

Frohe Weihnachten 2022!

2 Comments on “Vom Wagnis der Liebe / Weihnachten 2022”

  1. Liebe Anna,
    vielen Dank für die berührenden Worte, die herausfordernden Fragen und die Mut machende Botschaft. 🥰💚🙏
    Das Orientierungslose, wenn nichts mehr ist, wie es scheint oder war, ist definitiv eine Herausforderung.
    Ich wünsche dir und deiner Familie besinnliche und erholsame Feiertage und einen wundervollen Start ins neue Jahr🍀💫🌈

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